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The hospitality of an indian family

  • Autorenbild: Restlesstraveller
    Restlesstraveller
  • 2. März 2018
  • 8 Min. Lesezeit

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Die Einladung kam völlig überraschend. Akanksha, Reiseleiterin unserer zweiwöchigen Tour durch Nordindien meldete sich zwei Tage, nachdem die Tour zu Ende und ich bereits in Ranthambore war, bei mir. Sie bot mir an, bei ihr übernachten zu können, damit wir gemeinsam meinen weiteren Trip planen konnten. Erst dachte ich, dass sie die Einladung nicht wirklich so meinte. Dass sie einfach nett sein wollte, aber nicht wirklich damit rechnete, dass ich kommen würde. Es mir einfach anbieten musste, weil das so Anstand war in Indien, aber insgeheim hoffte, dass ich es nicht annehmen würde. Denn es würde für sie garantiert mehr Arbeit bedeuten, und sie hatte gerade zwei intensive Wochen mit uns hinter sich. Daran war ich mit meiner Infektion auch nicht ganz unschuldig gewesen. Das konnte sie also gar nicht wirklich ernst meinen?! Erst als mir ein Gruppenmitglied erzählte, dass Akanksha beim Abschiedsessen in Delhi davon gesprochen habe, mich eventuell zu sich nach Hause einzuladen, da wusste ich, dass ich sie beleidigen würde, wenn ich nicht annahm. Sie hatte sich das wohl doch gründlicher überlegt, als ich angenommen hatte. Und als ich das realisiert und mich bei ihr vergewissert hatte, dass dies keine Umstände machen würde, nahm ich natürlich hoch erfreut an. Ich wusste, dass man in Indien nicht jeden zu sich nach Hause einlud, und fühlte mich deshalb mehr als geehrt, dass sie mich dazu auserkoren hatte. Dies bot mir die einmalige Gelegenheit, Einblick in das Leben einer echten, indisch authentischen Familie und ihren Alltag zu erhaschen. Ich würde mehr über die Kultur und ihre Bräuche, das Essen und ihre Religion lernen. Und ich konnte es kaum erwarten!


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Akankshas LEIDENschaft (wortwörtlich gemeint): Chapatis reps. Rotmis machen:)

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Ich hatte allerdings die Gastfreundschaft der Inder unterschätzt. Mehrere Male gerieten Akanksha und ich aneinander, weil ich versuchte, irgendwie mitzuhelfen oder für meine Sachen selbst zu bezahlen. Einige Male ging die Diskussion so weit, dass sie mir vorwarf, sie zu beleidigen, wenn ich ihr einfach das Geld für meinen (wohlgemerkt, meinen!) Einkauf zusteckte. Also liess ich es sein, denn das Letzte was ich wollte war, sie zu beleidigen. Egal was ich versuchte, mitzuhelfen oder zu bezahlen, es gab jedes Mal ein Argument, das ich ohne Ausnahme jedes Mal verlor. Als Gast war ich zumindest in diesem Haushalt dazu verpflichtet (für mich teilweise eher dazu verdammt) rumzusitzen und nichts zu tun, ausser zu Essen, und nicht einmal das schaffte ich zu Akankshas voller Zufriedenheit. Immer wieder wurde ich fast in befehlerischem Ton dazu aufgefordert, mehr zu Essen, obwohl ich mehr als satt war und echt keinen Bissen mehr runter brachte. Anfangs war ich eingeschüchtert, aber nach ein paar Tagen in ihrer Familie verstand ich, dass das ihre Art war, miteinander zu reden. Auch wenn sie oftmals in barschem Ton miteinander umgingen, so hiess das nicht automatisch, dass sie wütend aufeinander waren. Im Gegenteil, das war einfach ihre Art und Weise miteinander zu kommunizieren. Ich bildete da keine Ausnahme, und gewöhnte mich schnell daran. Ich lernte, dass diese Sorge, ihr Gast könnte hungrig sein und zu wenig Essen bekommen, tief in ihrer Kultur verankert war. Akanksha erzählte mir, dass wenn sie Freunde oder Verwandte zu sich zum Essen einluden, sie dann mehrere Gerichte kochten, um sicher zu gehen, dass alle genug zu Essen hatten. Und vor allem genug Auswahl. Mindestens fünf verschiedene vegetarische Gerichte mit verschiedenem Gemüse, mindestens ein Gericht mit Paneer (Hüttenkäse) und zwei Gerichte mit Fleisch mussten dabei sein. Dazu natürlich noch die obligaten Chapatis, gefolgt von weiteren Beilagen wie Naan, Reis («plain und fried rice», sodass jeder etwas darunter finden würde, was zu seiner Zufriedenheit war) oder Nudeln. Es schien fast ihre grösste Angst zu sein, Gäste könnten ihr Haus aufgrund des Essens unzufrieden verlassen. Nach einer Weile lächelte ich nur noch amüsiert, wenn sie wieder auf mich einredete, mehr zu essen, ich müsse doch noch hungrig sein. Manchmal ging es so weit, dass sie mich nach einer Mahlzeit fünf Mal fragte, ob ich genug hätte, und mich fast begann wütend anzuflehen, noch etwas zu essen. Es gab mir das Gefühl, dass für mich gesorgt wurde, und indem ich das so betrachtete, war es wesentlich angenehmer. Und so sass ich rum und wurde mit Essen vollgestopft, während alle anderen um mich herum arbeiteten, kochten, den Abwasch tätigten und kranke Familienmitglieder pflegten. Nur ich sass untätig rum und fühlte mich dabei oftmals bloss faul und unnütz. Nicht einmal mein eigenes Geschirr durfte ich abwaschen. Einmal widersetzte ich mich Akankshas Wille und begann, das dreckige Geschirr in der Spüle trotz ihrer lauten und energischen Proteste abzuwaschen. Kaum hatte ich zwei Gläser durch, erschien ihr Bruder in der Küche, und das Drama ging los. Sie bekam eine Abreibung weil ich am Arbeiten war, und Gäste nicht arbeiten sollten. Anstatt dass ich dafür gerügt wurde, bekam Akanksha alles ab, obwohl sie es mir ja verboten hatte. Ich hatte einfach nicht auf sie gehört. Danach fühlte ich mich so schuldig, dass ich es nie mehr versuchte. Mein einziger Trost war, dass Akanksha bald in die Schweiz reisen würde. Und ich mich dann revanchieren konnte.

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Wedding Picture of Akankshas Parents!


Was mir von Anfang an auffiel war der Familienzusammenhalt. In diesem Haus lebten drei Generationen unter einem Dach, und die älteste Bewohnerin des Hauses, Akankshas Grossmutter, wohnte im untersten Stock. Aufgrund ihres hohen Alters war sie schwach und mittlerweile ans Bett gebunden. Die ganze Familie kümmerte sich ganz rührend und liebevoll um sie. Jeden Tag kamen Verwandte zu Besuch und verbrachten einige Stunden an ihrem Bett. Immer wieder wurde frischer Chai zubereitet, auch für die Grossmutter. Sie wurde mit Essen verwöhnt und bekam so viel Eiscreme wie sie wollte. Nach meiner ersten Nacht hier wurde die Mutter von Akanksha krank, und ohne dass es grössere Anweisungen bedurft hätte, übernahm sofort Akanksha das Ruder. Sie wusch, kochte für alle und putzte das Haus. Sie benachrichtigte ihre verheiratete Schwester, die ungefähr 6 Kilometer weit weg wohnte, und mit ihrem Sohn vorbei kam um sie den Nachmittag durch zu unterstützten. Jeder war für jeden da, man wechselte sich ab mit den Besuchen bei der kranken Grossmutter und der kranken Mutter, und jeder tat seinen Teil dazu. Ihr Sohn fuhr sie ins Krankenhaus, während Akanksha bereits das Abendessen vorbereitete, weil wir zwei an dem Abend ausgehen wollten, und das Abendessen deshalb für den Rest der Familie schon bereitstehen sollte. Auch der kleine Lord Krishna gehörte zur Familie. Akankshas Mutter hatte eine kleine Statue «adoptiert» und in ihrem Schrein aufgestellt. Das sogenannte Adoptieren des Krishnakindes im Hinduismus brachte einiges an Verantwortung mit sich. Grundsätzlich wurde er wie ein richtiges Kind behandelt. Er bekam jede Mahlzeit etwas ab, und abends vor dem Schlafengehen wurde ein Glas Milch aufgeschäumt, mit einem Basilikumblatt versehen und vor ihn hingestellt, als Opfergabe sozusagen. Und das jeden Tag, begonnen mit dem Frühstück. Es gab also eine grosse Familie zu versorgen, und ich staunte darüber, wie jeder seine Aufgabe hatte und sich liebevoll um jedes einzelne Mitglied der Familie kümmerte. Jetzt wo die Mutter krank im Bett lag, übernahm ihr Sohn die Fürsorge für das Krishnakind. Alles andere blieb an Akanksha hängen.


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Lord Krishna Kind


Später an diesem Tag, als Akanksha endlich ein paar freie Minuten für mich erübrigen konnte, büxten wir mit dem Auto aus, um meine Tickets für die morgige Zugfahrt abzuholen. Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher in ein indisches Spa. Da ich nicht wusste, was genau ich dort tun sollte (natürlich gab es weder eine Preisliste noch eine Übersicht über die Angebote), nannte ich aus lauter Überforderung das Erste, was mir in den Sinn kam, wenn ich an ein Spa dachte: eine Pediküre. Noch während ich das sagte fiel mir eine bessere Idee ein: Augenbrauen! Doch die Dame war schon weg um alles für eine Pediküre herzurichten, und als ich den Preis für die beiden Angebote erfuhr, da konnte ich mir ruhig beides leisten. Das Augenbrauen zupfen kam zuerst dran und fand auf indische Art statt. Soll heissen, mit einem gespanten Faden, der wie Zahnseide aussah und einem die feinen Haare im Gesicht radikal ausrupfte. Es war etwas schmerzhaft und ungewohnt, weil ich mithelfen musste, die Haut um meine Brauen gespannt zu halten. Doch das Endergebnis war durchaus sehenswert, vor allem zu diesem unschlagbaren Preis von (ich wage es fast nicht auszusprechen!) 50 Rappen! Danach bekam jeder meiner Füsse eine Frau zugeteilt, die sich um ihn kümmerte. Ich fühlte mich irgendwie total besonders vor lauter Aufmerksamkeit. Also alles in allem eine sehr spannende Erfahrung, und ich war dankbar, dass Akanksha mich da hingeschleppt hat. Schönheit und Pflege ist für indische Frauen etwas vom Wichtigsten. Sie müssen jeden Tag gepflegt aussehen, und dabei wird auf alles geachtet: Gesicht, Hände, Füsse, alles muss perfekt sein. Lackieren, schminken, das ganze Programm. Dabei ist jeder Tag ein Tag, um Schmuck und die schönsten Kleider zu tragen. Egal, ob Arbeit oder ein Fest ansteht. Eine indische (verheiratete) Frau muss jeden Tag perfekt aussehen. Ansonsten wird ihre Ehe angezweifelt.


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Ich im Sari von Akankshas Mutter


Obwohl Indien immer mehr weisse Touristen begrüsste, so war es doch noch immer so, dass man angestarrt wurde. Ich machte auch immer wieder die Erfahrung, dass Inder, die ich kaum kannte, versuchten, irgendwie bei mir zu landen, und Andeutungen machten, dass sie gerne in die Schweiz kommen würden. Natürlich half es da nicht, dass ich alleine unterwegs war, ohne eine weisse, männliche Begleitung. So war ich das gefundene Fressen für junge Inder, die von einer Zukunft ausserhalb von Indien träumten. Und viele träumten einen Traum, der der Realität wohl kaum sehr nahe kam. Viele dachten, eine Heirat mit einer Weissen würde für sie alles verändern. Dass in Europa alles besser wäre. Ich bin mir nicht sicher, ich glaube, die meisten würden sich in Europa nicht wohl fühlen, weil der Kulturunterschied einfach zu gross ist. Aber das hindert sie nicht daran, mit mir zu flirten und Andeutungen fallen zu lassen. Dann gibt es aber noch diese unschuldigen Erfahrungen, die einfach nur süss sind. Zum Beispiel Akankshas Neffe. Er ist vier Jahre alt und war natürlich auch auf Krankenbesuch. Als er in mein Zimmer kam, entdeckte er als erstes mein Stofftier, das auf dem Bett lag. Es ist uralt, zerschlissen und sieht einfach nur scheusslich aus. Doch er war sofort Feuer und Flamme dafür, und bevor ihn jemand hätte aufhalten können, stürmte er darauf zu und drückte es fest an seine Brust. Die Mutter war natürlich ausser sich, doch ich lachte. Er trug es für den Rest des Tages mit sich rum, und wollte sich kaum mehr davon trennen. Als wir dann zusammen am Mittagstisch sassen, mit einer dampfenden Tasse Chai vor uns, kam er zu mir. Er berührte mich mit einem Finger immer wieder kurz beifällig, und plötzlich entdeckte er ein Muttermal auf meinem Arm. Schockiert meinte er auf Hindi zu seiner Mutter, dass ich da einen Insektenstich hätte. Wir begannen alle schallend zu lachen, und er blickte etwas verwirrt zu uns hoch. Seine Mutter erklärte ihm darauf hin, dass das ein Muttermal sei, kein Insektenstich. Solche hatte ich allerdings auch zur genüge vorzuweisen, und zeigte ihm mein rechtes Bein, das übersäht war mit rot geschwollenen Mückenstichen. Seine Augen weiteten sich in Schock, und er fuhr sanft darüber, als wollte er mit seiner Berührung die roten Punkte zum Verschwinden bringen. Ich lächelte, und er wurde wieder ganz schüchtern und stürmte davon.


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Ich bin Akanksha sehr dankbar, dass sie mich in ihr Zuhause eingeladen hat. Es war für mich eine Ehre, und zudem sehr lehrreich und spannend, einige Tage bei einer indischen Familie wohnen und ein wenig an ihrem Leben teilhaben zu dürfen. Ich habe auch hinter einige Tabu Themen in Indien blicken können, und wie schwer das Leben für indische Frauen noch immer sein kann. Deshalb wünsche ich ihr für die Zukunft von ganzem Herzen alles erdenklich Gute, Glück und Zufriedenheit. Sie hat es verdient. Und ich freue mich bereits jetzt darauf, sie in ein paar Monaten in meiner Heimat willkommen zu heissen.


Traduction for you Akanksha: I am so very grateful that you offered me this chance to come and see your home for a couple of days! I feel very honored to have been treated so well, and thank you so much for taking care of me! =) I will never forget, and I am looking very forward to meeting you again in Switzerland, and to welcome you to my home as well! For the future, I wish you, from the bottom of my heart, nothing but the best! Stay this young, energetic, fun, crazy, positive, independent and strong woman that you are, and luck will find it´s way to you I´m sure! You are such an inspiration, and I hope, you will find the right man and live happily ever after when the time´s right, you very much deserve it! Until then, enjoy your dreamjob and don´t let anyone stop you from doing what you love! Take care and I will see you soon my friend! Xoxo Laura



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About Me

I am a 29 year old traveller. While I also love to Photograph and write down my thoughts just as plain and simple as they are, I decided to share this with who ever might be interested in reading about my adventures. Some might be in german, other in english, because I love to write in both languages. All that is left to say now: I hope you´ll enjoy:)

 

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