Malta – Kultur pur!
- Restlesstraveller
- 20. Okt. 2018
- 6 Min. Lesezeit

Es ist schon eine Weile her, dass ich so begeistert war von einem Land. Gegen Malta hab ich ausser der Hitze, die einem hier tatsächlich fast um den Verstand bringt, nichts vorzubringen. Klar, die Hitze macht leider einen Grossteil aus. Ab elf Uhr morgens ist es bereits um die 40 Grad, nachmittags gerne auch mal drüber. Da verleitet das eigene Zimmer mit Ventilator doch gerne dazu, drin zu bleiben, sich hinzulegen und bis zum frühen Abend nicht mehr zu bewegen. Wohnungen mit Klimaanlage sind Luxusgut! Selbst die Malteser bleiben bei solchen Temperaturen lieber zu Hause oder in ihren gekühlten Büros. Aber sobald die Sonne untergeht und die Dämmerung über die kleine Insel herein bricht, strömen die Menschen in Scharen auf die Strasse. Ganze Familien, voll bepackt mit Essen, Trinken und Sitzgelegenheiten bauen ihre Schläge am Hafen auf und setzen sich in wohligem Geselligsein zusammen. Oftmals bis in die frühen Morgenstunden. Ich liebe dieses südländische Flair und fühle mich fast wie in Italien. Musik spielt und die Menschen lachen und schwatzen. Benutzen ihre Hände für Gesten, und geniessen alles, was die mediterrane Küche zu bieten hat. Oftmals Oliven, Tomaten, Olivenöl, Kapern, Mais und Ton. Sie lieben es, das Leben zu leben. Die Menschen hier sind so offen, dass ich nicht lange alleine bleibe. In Malta ist es üblich, dass man ständig zu irgendwelchen Runden eingeladen wird. Ich bin während meines ganzen Aufenthaltes hier nie einem geizigen Menschen begegnet. Überall wurde ich mit offenen Armen empfangen!

Ein Ereignis ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Ich wollte etwas die Gegend erkunden, die ich vom Balkon der Wohnung aus sah, und machte mich so morgens früh auf den Weg. Mit nahm ich bloss mein Handy und Kopfhörer. Mehr nicht. Ich wollte eine kurze Strecke rennen und versicherte meiner Gastmutter noch, in einer Stunde zurück zu sein. Ich rannte also zur Bucht in Marsaskala und weiter auf den Felsen dahinter, bis ich zu einem heruntergekommenen Steinhaus kam. Dort schoss ich die ersten Bilder und genoss die Aussicht auf die versteckten Buchten am Fusse des Felsens. Noch immer faszinierten mich die Farben und Klarheit des Wassers in Malta. Wie hypnotisiert schaute ich dem Farbenspiel zu, wie sich die Sonnenstrahlen im Wasser spiegelten und tanzende Schatten an die Wände warfen. Nach einer Weile zog ich weiter und entschied, dass ich da runter wollte. Irgendwie. Es setzte einige Kletterkünste voraus, aber ich schaffte es, den Felsen hinunter zu steigen und wohlbehalten unten auf einem Felsvorsprung mein Lager aufzuschlagen. Ich sass da und starrte aufs Wasser für ich weiss nicht wie lange. Ich verlor jegliches Zeitgefühl und ging auf in völliger Ruhe und Frieden. Irgendwann begann ich Fotos zu schiessen, und gerade als ich das Handy aufgestellt, den Selbstauslöser gedrückt und mich in Position gebracht hatte, wurde ich unterbrochen. Aus dem Nichts war ein Mann erschienen, der mich gehörig erschreckte. Er musste von der anderen Seite des Felsens gekommen sein. Er hatte wohl nicht mitgekriegt, dass ich gerade ein Fotoshooting veranstaltet hatte, bemerkte ich erleichtert und ignorierte das Licht meines Handys das anzeigte, dass gerade zehn Fotos in Schnelldurchlauf von mir geschossen worden waren. «Könntest du wohl ein Foto von mir und meinem Freund machen?», bat mich der Mann bemüht höflich. Er trug seine Fischermütze tief ins Gesicht gezogen, und da er einen langen Schatten auf sein Gesicht war konnte ich es nicht erkennen. Er trug Felsenschuhe, eine Badehose und eine Schwimmweste. Seinem Körper nach zu urteilen war er älter als ich, ich schätzte ihn um die vierzig. Seine Stimme wirkte beruhigend und sympathisch, also nickte ich, packte mein Handy und meine Kopfhörer und folgte ihm um den Felsen herum, wo zwei Kajaks ruhten und sein Freund auf uns wartete. Sein Kumpel war tattowiert und trug eine Kapitänsmütze. Die beiden stellten sich vor die Kajaks, und ich schoss mehrere Fotos. Sie bedankten sich herzlich, und gerade als ich mich zum gehen wandte, meinten sie freundlich, ob ich etwas zu trinken wolle. Normalerweise würden mir spätestens jetzt meine Alarmglocken signalisieren, dass ich mich verkrümeln sollte, aber die zwei machten einen netten Eindruck, also blieb ich. Sie boten mir an, mich zu ihnen zu setzen, und nachdem mein Bauchgefühl nicht reagierte, setzte ich mich tatsächlich hin und nahm dankbar ein Wasser entgegen. Ich war bereits seit über einer Stunde der gleissenden Sonne ausgesetzt und hatte nichts mehr getrunken, seit ich die Wohnung verlassen hatte. Sie wollten wissen, wo ich herkam und was ich in Malta machte. Es stellte sich heraus, dass sie beide aus Malta waren und sich dieses Wochenende verabredet hatten, um gemeinsam kajaken zu gehen. Ich erfuhr, dass der, der mich ums Foto gebeten hatte, Jonah hiess. Und sein Kumpel Daniel war. Plötzlich unterbrach mich Jona und meinte, dass ich ruhig mal mit dem Kajak raus könne wenn ich wollte. Sie würden hier eh eine Pause machen. Etwas unsicher ging ich die Risiken im Schnelltempo in meinem Kopf durch. Nach meinen unzähligen Reisen in Länder, vor allem in Länder wie Indien und Sri Lanka wird man vorsichtig. Zu oft wollte man mich verarschen oder ausnehmen. Wie ich später merken sollte, war eine gesunde Vorsicht zwar gut, in Malta aber völlig überflüssig. Diese Erfahrung durfte ich während meinem Monat auf der Insel unzählige Male machen.
Damals wusste ich das aber noch nicht, also ging ich sicherheitshalber nochmal kurz alles durch: Ich hatte nichts bei mir, kein Geld, wirklich nichts Wertvolles, mit dem sie sich aus dem Staub machen konnten. Ausserdem, wenn sie tatsächlich abhauen würden während ich da draussen rumpaddelte, dann würden sie eins ihrer Kajaks opfern, und ich bezweifelte stark, dass sie das tun würden. Das Einzige, was sie mir nehmen konnten, war mein Handy, da ich es nicht mit aufs Kajak nehmen wollte, wegen der Spritzgefahr. Ich entschloss mich dazu, es zu wagen. Und ich sollte es nicht bereuen. Dankbar nahm ich das Paddel entgegen und sie halfen mir, das Kajak über die Wellen etwas weiter hinaus ins Meer zu stossen. Sie hielten es fest und ich sprang elegant hinein. Und los ging die Fahrt. Sie blieben am Felsen zurück, mitten in der Sonne, und ich paddelte drauf los. Weit vor mir sah ich eine Höhle, und die steuerte ich an. Ich glaube, ich brauchte ungefähr zwanzig Minuten, dann war ich da. Es war wunderschön und so still. Nachdem ich die Einsamkeit eine Weile genossen hatte, drehte ich um und fuhr zurück zum Platz, wo Jonah und Daniel noch immer sassen, Bier und Wasser tranken und ihr Mittagessen mampften. Sie freuten sich, dass es mir so gut gefallen hatten, und wir verbrachten noch etwas Zeit am Felsen, gingen Baden. Dann schlugen sie vor, dass Jonah mich vorne auf seinem Einerkajak mitnehmen konnte. Ich zögerte, weil ich mir das relativ schwierig und anstrengend vorstellte, aber sie bestanden darauf. Rückblickend musste er sich tatsächlich ziemlich anstrengen. Am nächsten Tag klagte er über Muskelkater in den Armen, aber anscheinend ist es ihm die Mühe wert gewesen, und ich konnte mich nicht beklagen, sass ich doch wie eine Königin vorne auf dem Bug und liess mich herumchauffieren. Zurück am Strand luden sie mich noch auf ein lokales Bier und einen Eiskaffee ein, bevor ich dann, sechs Stunden später als ursprünglich geplant, zur Wohnung zurück kehrte um zu duschen und mich für die Arbeit fertig zu machen.
Ich traf mich danach immer mal wieder mit den zweien und lernte auch durch sie die Offenheit und Grosszügigkeit der Malteser kennen. Ihre Gastfreundschaft ist bisher mit nichts zu übertreffen was ich bis anhin beim Reisen erfahren habe. Immer wieder haben sie mich eingeladen, mit mir Sachen unternommen und mir Dinge und Orte in Malta gezeigt, die in keinem Reiseführer vermerkt sind. Jonah hat mich einmal auf seinem Quad bis ganz hoch in den Norden mitgenommen, um mit mir dort die ihm bisher auch unbekannte Coral Lagoon anzuschauen. Malta birgt überall diese verborgenen Schätze, die von den Bewohnern Maltas als gut gehütetes Geheimnis nur den Einheimischen vorbehalten werden.

Der Sonnenuntergang in den Dingli Cliffs ist ein weiterer Geheimtipp, allerdings ist die Anreise ohne Mietauto oder maltesischen Freunden mit Auto ziemlich aufwendig und mühsam. Ein Dank daher an Mix, den wir zufälligerweise am Markt in Marsaxlokk kennengelernt haben und der uns danach als selbsternannter Reiseführer quer durch die Insel chauffiert hat um uns die versteckten Perlen der Insel zu zeigen, unter anderem die legendäre Höhle des Hassan, Hassans cave oder auf maltesisch: ghar´Hassan! Die Legende erzählt, als die Araber in Malta eingefallen sind, einer von ihnen, Hassan, eine hübsche Prinzessin entführt und sie in dieser Höhle gefangen gehalten hat. Als Höhepunkt hatte Mix sich die Dingli Cliffs aufgespart. Uns erwartete statt einem Sonnenuntergang ein Weltuntergangsgewitter, welches meine wundervolle Arbeitskollegin Nina auf Kamera festhalten konnte. Kompliment an ihre Fotografiekünste und ihr Händchen für den richtigen Moment, um auf den Auslöser zu drücken.



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