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Insane D(ai)elhi Traffic

  • Autorenbild: Restlesstraveller
    Restlesstraveller
  • 18. Feb. 2018
  • 4 Min. Lesezeit

Das Erste, was mir bei meiner Ankunft in Indien auffällt, ist der Lärm. Obwohl ich wegen der Einreisekontrolle eine Stunde zu spät dran bin, wartet ein Vertreter meiner gebuchten Gruppenreise wie abgemacht auf mich. Er leitet mich an einen Taxi-Fahrer weiter, der mich mit ins Parkhaus nimmt. Sobald wir aus der Ankunftshalle treten, werde ich überwältigt von Eindrücken, die regelrecht auf mich einprasseln. Es geht ein kühler Wind, der das Gehupe, Geschrei und den Motorenlärm der Stadt zu uns trägt. Emsig eilen tausende Taxifahrer vor den Eingängen umher und warten auf ihre Chance, Touristen aufzugabeln und sie in ihr Hotel zu bringen. Lauthals und oftmals aufdringlich buhlen sie um deren Aufmerksamkeit, fuchteln wie Wilde mit ihren Armen, um den Verkehr aufzuhalten und ihren potentiellen Kunden eine sichere Überquerung der Strasse, hin zu ihrem Taxi, zu garantieren. Ich allerdings werde in Ruhe gelassen und bin froh, meinen Taxifahrer bereits an meiner Seite zu haben. Ich kriege einen ganzen Bus für mich allein und werde dazu eingeladen, vorne auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Ich bin erstaunt über dessen Zustand: er ist sauber und riecht gut. Nur eine kleine Delle seitlich der Beifahrertür beweist, dass Delhis Strassen zu den gefährlichsten und berüchtigtsten der Welt gehören. Ein dickes Glas gefüllt mit Duftflüssigkeit und eine winzige Ganeshafigur zieren das Armaturenbrett. Leise tönt indische Musik aus den Lautsprechern. Mein Fahrer ist äusserst höflich und nennt mich Ma´am, was mir ein Gefühl von Ansehen verleiht. Ich merke allerdings bald, dass das hier Gang und gäbe ist.


«All you need in Delhi is good nerve, good horn and good luck.» - Raj, Taxifahrer Delhi

Mein Taxifahrer ist äusserst redselig. Breitwillig informiert er mich über seine Herkunft und über das Leben in Delhi. Er stammt ursprünglich aus Rajasthan und kehrt jedes Jahr in der «Off-Season» für 4 Monate dahin zurück zu seiner Familie. In Delhi lebt er, um zu arbeiten. Er sagt, Delhis Verkehr sei der Schlimmste in ganz Indien. Und er sollte Recht behalten. Anstatt der normalen 20 Minuten vom Flughafen zum Hotel benötigen wir eineinhalb Stunden. Es herrscht pures Chaos. Kaum kommen wir in die Nähe der Innenstadt, verstopfen sich die Strassen und es gibt kaum noch ein Durchkommen für Taxis. Minutenlang stehen wir still, ohne vorwärts zu kommen, während um uns herum Hupkonzerte zum Besten gegeben werden. Auch Raj, mein Taxifahrer hupt fröhlich, aber für mich ohne ersichtlichen Grund, mit. Sobald sich die Schlange in Bewegung setzt, manövriert er das Auto flink in jedwede, noch so kleine Lücke. Schnell vermehren sich die Spuren, und aus den eigentlich vier gekennzeichneten werden sechs. Ständig quetschen sich Tuk Tuks und Motorräder gefährlich nah und sehr risikofreudig zwischen den Autos durch, und oftmals erscheint es wie ein Wunder, dass es nicht zu mehr Unfällen kommt. Hie und da unterbricht das Klingeln seines Telefons unsere Unterhaltung. Während seine Augen auf die Strasse gerichtet bleiben, fingert er nervös an seiner Hemdtasche rum, klaubt ungeniert das Handy raus und brüllt ein barsches «Hallo?» in den Hörer. Sein nächster Auftrag wartet bereits auf ihn: in zehn Minuten muss er neue Passagiere abholen. Wir sind allerdings noch weit entfernt von meinem Hotel, und es scheint nicht so, als würde sich der Stau in den nächsten zehn Minuten auflösen. «Schaffst du das?», will ich wissen. Er lächelt und meint nur «Ja ja…» Wir wissen beide, dass er es nicht schaffen wird. Aber so sind die Inder. Überoptimistisch. Sie pflegen einen sehr flexiblen Umgang mit der Wahrheit. Was nicht passt wird passend gemacht. Tapfer kämpft sich unser Taxi Zentimeter um Zentimeter voran, dabei bemüht sich Raj meistens erfolgreich darum, jede sich auftuende Lücke voraus zu sehen und dann das Auto geschickt und blitzschnell dahin zu lenken, oftmals mit dem Ergebnis, dass er jemandem den Weg abschneidet und mit wütendem Hupen bestraft wird. Das macht allerdings nichts, man hupt einfach zurück. Jeder hupt. Nichts Besonderes. Mich allerdings macht es fast wahnsinnig. «Gibt es keine Strassenregeln in Delhi?», will ich von Raj wissen. «In Delhi, keine Regeln», erwidert Raj ernst, wiegt dabei heftig den Kopf hin und her und verwirft seine Hand: eine Geste, die ich bei Indern später noch oft gesehen habe. Dann fügt er an: «In Delhi, all you need is good nerve, good horn and good luck!» Kann ich mir vorstellen. Viel Glück um in keine Unfälle verwickelt zu werden, eine Hupe, um für alles andere zu sorgen und viel Geduld und Nerven, um jeden Tag in Delhis verstopften Strassen festzusitzen und dabei nicht auszurasten. Denn so schaut es jeden Tag in Delhi aus. Egal zu welcher Tageszeit.

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Mein Hotel liegt inmitten eines riesigen Strassenmarktes in Neu Delhi. Die Strassen sind überfüllt von Menschen, die weder auf das energische Hupen von Raj, noch auf das bedrohliche Auffahren der Haube unseres Fahrzeuges reagieren. Einige werden sanft vom Fahrzeug angestupst, andere drücken sich gleichgültig an unserem Wagen vorbei, die meisten streifen dabei die sowieso bereits zur Seite geklappten Seitenspiegel. Man kann sich das kaum vorstellen ohne es selber einmal erlebt zu haben. Die Szene wirkt auf mich so skurril, dass ich unwillkürlich lachen muss. Viele huschen mit ihren Familien noch knapp vor dem Auto über die Strasse, und praktisch alle machen erst in allerletzter Sekunde Platz. Es scheint hier zwar niemand irgendwelche verfasste Regeln zu befolgen, und doch scheint es irgendwie zu funktionieren. Es wirkt fast so, als befolge jeder ein gewisses System, einen Verhaltenscodex. Ein ungeschriebenes Gesetz unter den Bewohnern, und jeder weiss ganz genau, wie weit er gehen kann. Eine geheime Sprache, die nur den Indern bekannt ist. Und ich muss zugeben, ich bin beeindruckt. Und bald wende ich die Regeln im Strassenverkehr auch für mich selbst an. Nach einem Tag Selbststudium und genauem Beobachten weiss ich zum Beispiel, dass man die Strasse überall auf eigene Gefahr überqueren kann. Einzige Sicherheit die man hat: ein seitlich ausgestreckter Arm mit gezeigter Handfläche gen Strasse signalisiert dem Autofahrer, dass man die Strasse überqueren will und er doch bitte Anhalten soll. Natürlich hält kein Schwein von Selbst, man muss dabei schon etwas riskieren und sie ein wenig zu ihrem Glück zwingen, indem man mutig in die Strasse tritt. Wie gesagt, das geschieht auf eigene Gefahr, und ich rate niemandem, es wirklich alleine auszupro-bieren. Am Besten schliesst man sich Indern an, die sind darin geübt. Augen allerdings immer offen halten, die kommen von allen Seiten! In dem Sinne:


Good nerve, good horn and good luck! =)


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About Me

I am a 29 year old traveller. While I also love to Photograph and write down my thoughts just as plain and simple as they are, I decided to share this with who ever might be interested in reading about my adventures. Some might be in german, other in english, because I love to write in both languages. All that is left to say now: I hope you´ll enjoy:)

 

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