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Camelmilk and the end of my trip...

  • Autorenbild: Restlesstraveller
    Restlesstraveller
  • 10. Mai 2018
  • 15 Min. Lesezeit

Was für eine Freude, als ich am Morgen meines letzten Tages in Deshnoke von Babu mit der Nachricht empfangen wurde, dass sein Kamelmann einen Anruf von seiner Tante bekommen hat. Ihre Kamele hatten kleine Kamelbabys zur Welt gebracht! Sie bot uns an, ihre Farm mit den zehn Tage alten Tieren zu besuchen, und ich war wahnsinnig aufgeregt, einen weiteren Traum erfüllt zu sehen.



Die Farm war etwas weiter weg, ungefähr 40 Minuten Fahrt. Das erste Problem stellte sich uns bereits beim Einsteigen in Babus winzig kleines Auto: wir waren zu viele Passagiere. Mittlerweile zu vier freiwilligen Helfern angewachsen, plus der Kamelmann wollte auch noch mit. Babu verfrachtete ihn kurzerhand in den Kofferraum. Ich wollte gerade protestieren, doch Babu erklärte mir, dass sie das immer so machten und das dem Kamelmann wesentlich lieber sei, als sich auf den Rücksitz zwischen Frauen zu quetschen, oder einer von uns den Beifahrersitz «wegzunehmen». Der Kamelmann war bereits im Kofferraum und wirkte zufrieden, also gab ich nach und stieg ein. Wir erreichten die Farm in einem kleinen Dorf. Kinder spielten auf der Strasse, liessen aber erfreut alles stehen und liegen als sie uns im Wagen kommen sahen, und rannten aufgeregt und winkend neben dem Auto her. Weisse waren hier nicht oft gesehen. Man hatte uns vorgewarnt, dass dies ein noch sehr traditionelles rajasthanisches Dorf war, und wir uns daher auch sehr bedeckt kleiden sollten. Hiess für uns, dass weder Arme noch Schultern, Dekolleté oder Bauch und Beine sichtbar sein durften. Einzig unsere Köpfe, Hände und Füsse mussten nicht verhüllt werden. Wir wurden bereits freudig von der Familie am Tor zur Farm erwartet. Es war eine einfache, kleine Farm mit Hütten aus Kuhdung und einem Haus aus Ziegelsteinen, welches fast zehn Familienmitglieder beherbergte. Die Hütten aus Kuhdung waren einerseits eine Toilette und daneben stand die Küche mit genug Platz am Boden um gemeinsam zu essen. Uns wurden Matten und Teppiche gebracht um uns vor der Hütte auf den Boden zu setzen. Wir unterhielten uns eine Weile und machten Fotos, bevor uns der Kamelmann dann zu den Kamelen gleich nebenan führte. Es waren zwei Kamelmütter und jede von ihnen kümmerte sich um ein Baby. Die kleinen Racker wirkten auf ihren langen, wackeligen Beinen so unbeholfen und süss, dass wir uns wohl alle auf einen Schlag verliebten. Das kleine Kameljunge wurde beim Anblick so vieler Menschen, die sich für es interessierten, ganz nervös und begann Geräusche zu machen. Es unterhielt sich mit der Mutter wie durch eine Art Summen. In kurzen Stössen brummelte es vor sich hin, und seine grossen dunklen Augen behielten uns im wachsamen Blick. Ich hätte es abknutschen können. Wir blieben alle stehen, damit es sich beruhigen und ein wenig Vertrauen und Sicherheit fassen konnte. Und plötzlich merkte man, dass die Neugier siegte. Immer wieder lugte es hinter seiner Mutter hervor und beobachtete uns. Man konnte förmlich spüren, wie es mit sich rang. Und immer wieder wagte es dann einige Schritte auf uns zu, immer näher, bevor es wieder zögerte und in die andere Richtung davon lief. Doch nach einigen Minuten schien der Bann gebrochen, und es kam uns immer näher. So nah, dass ich plötzlich nicht mehr wusste, wie ich reagieren sollte, als es mit seiner Nase meine Haare beschnupperte. Denn ich wusste ehrlich gesagt nicht, wozu Kamele in der Lage waren. Aber ich konnte es mir gut vorstellen, dass so ein Biss mit diesen grossen, mächtigen Zähnen selbst von einem Babykamel ganz schön schmerzhaft ausfallen könnten. Und hässlich noch dazu, wenn es im Gesicht passierte. Also hielt ich ganz still, um ja nicht dafür zu sorgen, dass es vor Schreck zubiss. Seine Nüstern blähten sich auf und liess meine Haare flattern, was mich zum lachen brachte weil es kitzelte. Das Kleine erschrak kurz und trat einen Schritt zurück. Dann streckte ich die Faust aus (ich wollte ja nicht dass es mir den Finger abbiss) und es kam wieder näher. Roch daran, ganz liebevoll und vorsichtig. Der Kleine war das süsseste Wesen das ich seit Langem gesehen hatte. Noch so klein und unschuldig, es hatte noch so viel zu lernen. Danach verlor es allmählich das Interesse an mir und zog weiter, ständig brummelnd, worauf die Mutter mit einem noch tieferen Gegrummel antwortete.



Als die Kamelmutter dann anfing, das Junge zu säugen, holte der Kamelmann ein Tongefäss. Er beobachtete die zwei eine Weile, dann schritt er ein und drängte das Kleine weg, um für uns ein wenig Milch abzuzapfen. Das passte dem Kleinen nicht sonderlich, und es versuchte, von der anderen Seite her an eine Zitze zu gelangen. Doch es dauerte nicht lange und der Kamelmann gab die Zitze wieder frei, sodass das Kleine beruhigt weiter trinken konnte. Wir schossen noch ein paar Bilder von der wahnsinnig schäumenden Milch (die quoll fast über den Rand und sah aus wie Badeschaum), bevor er sie seinen Verwandten übergab die daraus Chai kochen wollten für uns. Ich war wahnsinnig aufgeregt, hatte ich doch schon lange einmal Kamelmilch ausprobieren wollen. Ich stellte mir einen Chai aus Kamelmilch sehr besonders vor. Man sagt der Kamelmilch nach, dass sie etwas salziger schmeckt als die normale Kuhmilch. Auf alle Fälle ist sie nicht so süss. Ich war gespannt, ob ich den Unterschied schmecken würde. Fünf Minuten später wurden wir erneut sitzend vor der Hütte mit einem heissen Chai verköstigt. Er schmeckte sogar hervorragend, echt lecker! Dass es salziger sein sollte merkte man nicht, da Inder beim Chai nicht gerade mit Zucker geizen. Ich hatte mein Glas schnell geleert und bekam ein zweites offeriert. Wir unterhielten uns noch eine Weile, bevor wir in die Hütte (sprich: Küche) eingeladen wurden, um bei der Zubereitung eines ganz besonderen Chapatis zuzusehen. Der war nicht wie die normalen die wir jeden Tag assen aus Weizenmehl, sondern aus Hirse. Die Fladen hatten eine graue Farbe und sahen nicht wirklich appetitlich aus. Sie wurden direkt vor Ort zubereitet und vor uns im Feuer gegrillt. Danach wurden sie uns zum Probieren serviert mit ein wenig selbst gemachtem Joghurt. Ehrlich gesagt sahen sie nicht nur wie Karton aus, sie schmeckten auch so. Doch mit dem Joghurt zum runterspülen gings. Danach war es an der Zeit für uns zu gehen. Ich musste noch fertig packen um meinen Bus zum Bahnhof zu erreichen, der 30 Minuten entfernt lag. Also bedankten wir uns überschwänglich (und ich sah wie Babu einem der Mädchen einen Schein zusteckte) und verabschiedeten uns. Schweren Herzens warf ich nochmals einen Blick zu den friedlich grasenden Kamelen, bevor ich seufzend ins Auto stieg. Ich ahnte da ja noch nicht, welche Katastrophe ich mit diesem Besuch in Gang gesetzt hatte.


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Zwei Stunden später stand ich mit Sack und Pack an der Bushaltestelle. Es war wahnsinnig heiss, und obwohl ich nach dem Besuch der Kamelfarm nochmals geduscht hatte war ich bereits wieder schweissgebadet. Mich plagte seit einer Stunde eine Übelkeit, die ich aber der Nervosität zuschrieb. Ich war ziemlich aufgeregt, denn meine Reise dauerte fast einen Tag, und ich war alleine unterwegs, auf dem Land. Ich würde nun zuerst den Bus zum Bahnhof nehmen. Ich kannte die Haltestelle nicht, und musste darum einfach darauf vertrauen, dass die Mitpassagiere mich richtig informierten, wann ich auszusteigen hatte. Des Weiteren war die Bushaltestelle nicht gleich am Bahnhof, ich musste noch etwa einen Kilometer mit meinem ganzen Gepäck (ich hatte noch einen ganzen Rucksack zusätzlich dabei an Proviant für die Reise da man unterwegs nie wusste, wo man sich was Schlaues kaufen konnte) laufen. Danach warten, informieren auf welchem Gleis der Zug eintraf und dann auch noch das richtige Abteil finden. Wie schon in früheren Blogs erwähnt waren Zugfahrten in Indien echt eine Wissenschaft für sich! Das letzte Mal hatte mich Akankscha begleitet und mir geholfen, ich weiss nicht, ob ich das richtige Gleis damals ohne ihre Hilfe gefunden hätte, weil halt echt auch nichts angeschrieben gewesen war, und nichts auf der elektronischen Tafel aufgeleuchtet hatte. Im Zug stand mir dann eine 12 stündige Reise nach Delhi bevor. Mit grosser Wahrscheinlichkeit samt Verspätungen. Ich hatte aber am nächsten Tag einen Flug zu kriegen! Trotzdem hatte ich versucht mir genug Zeit einzurechnen, und auch allfällige Verspätungen miteinkalkuliert. Ich hatte vier Stunden Zeit eingeplant um vom Bahnhof in Delhi zum Flughafen zu gelangen, und das per Metro. Aber auch dort musste ich zuerst zur nächsten Haltestelle hingefahren werden, da die Haltestelle vom Bahnhof doch auch gute 5 Kilometer entfernt lag. Es gab also viele riskante Stellen in meinem Plan, die alles zu Nichte machen könnten. Daher war meine Aufregung ja wohl verständlich. Doch die Übelkeit wurde immer schlimmer, und ich begann noch mehr zu schwitzen. Als der Bus endlich kam, war er bereits vollgestopft mit Leuten. Ich musste mich mit meinem Rucksack durch die engen Reihen quetschen und bemerkte etwas enttäuscht, dass jeder Platz besetzt war. Ich würde also stehen müssen. Doch ein junger Inder stand von seinem Platz auf und bot ihn mir sogleich an. Das war die erste, wirklich selbstlose Geste, die ich in Indien von einem Fremden erlebt habe. Ich war gerührt, und dankbar setzte ich mich hin. Der Sitz war viel zu klein und ich musste meinen Rucksack auf den Knien halten, weil es sonst nirgends Platz gehabt hätte. Ich sass also zusammengequetscht von meinem Gepäck auf meinem Sitz, aber immerhin konnte ich nun sitzen. Mein Sitznachbar schien nicht sonderlich begeistert, weil er so auch weniger Platz hatte sich auszubreiten. Die Fahrt dauerte länger als erwartet, und es stiegen immer mehr Leute zu anstatt aus. Mir wurde immer heisser und schwindliger, und ich fühlte mich elend. Ich versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren, aber die Übelkeit wuchs ins Unermessliche. Als der Busfahrer von vorn endlich rief dass ich hier auszusteigen hatte, presste ich mich erleichtert durch die Menschenmengen im Bus und sprang aus dem Bus, der sich bereits langsam wieder in Bewegung setzte. Ich sah keinen Bahnhof, weit und breit. Ich fragte ein paar Männer, die am Wegesrand standen. Obwohl mir mulmig zu Mute war, hier alleine mit all meinen Wertsachen völlig schutzlos auf der Strasse herum zu irren bemühte ich mich, einen selbstsicheren Eindruck zu vermitteln. Auch wenn ich völlig fertig war. Man zeigte in eine Richtung und meinte, dass ich noch einen Kilometer in die Richtung laufen müsse. Mein Mut sank. Ich fing an zu laufen, mein Rucksack wurde immer schwerer, meine Beine immer wackliger und mein Zustand immer mieser. Irgendwann erreichte ich einen Zustand, wo meine Beine in einen Automatikmodus schalteten und von alleine liefen. Eine Art Überlebensinstinkt, wo mein Gehirn wahrscheinlich um Energie zu sparen auf Autopilot schaltete und einfach nur noch ausführte, was zum Überleben notwendig war. Und für den Moment hiess Überleben, einfach weiter zu laufen. Nach zehn Minuten Fussmarsch kamen drei Gebäude in Sicht, die so aussahen wie sie mir Babu beschrieben hatte. Ich betrat zwar durch das falsche den Bahnhof, fand dann aber den Bahnhofvorseher doch noch im hintersten Gebäude. Bei ihm fragte ich wie von Babu befohlen nach, auf welchem Gleis mein Zug einfahren würde. Er bestätigte mir was ich bereits wusste: Gleis 1. Das dauerte aber noch fast eine Stunde. Also setzte ich mich wie auch von Babu befohlen auf die Bank direkt vor dem Bahnhofsvorsteherhäuschen. Er hatte mich gewarnt, dass sich am Bahnhof jeweils dunkle und gefährliche Gestalten rumtreiben, und mittlerweile war es Abend geworden. Dies sei der sicherste Platz um sich zu setzen hatte er mir versichert. Ich setzte mich neben zwei indische Männer, die gerade in einer Diskussion steckten. Sie sahen mich freundlich und etwas mitfühlend an. Sah ich so schrecklich aus? Ich fühlte mich auf alle Fälle schrecklich. Meine Beine zitterten mittlerweile unkontrolliert, ich schwitzte noch immer und hatte das Gefühl, bald rückwärts essen zu müssen. Ich setzte mich also auf die Bank und versuchte, mich zu beruhigen. Mich auf den Atem zu konzentrieren. Ich hielt meinen Rucksack eng an mich gepresst und schloss die Augen. Atmete tief ein und wieder aus. Mehrere Male. Lange. Aber die Übelkeit blieb. Und mit ihr die aufkommende Panik. Als die erste Durchsage für meinen Zug im Bahnhof erklang, stand ich ruckartig auf und lief dem Gleis entlang auf der Suche nach einem Plätzchen zum Warten. Ich stellte mich neben eine Gruppe von Reisenden, von denen einer ein Weisser war. Dort fühlte ich mich relativ sicher, also stellte ich meinen Rucksack in einigem Abstand daneben ab. Doch kaum hatte ich das getan, wurde ich von einem kleinen indischen Mädchen mit seiner Grossmutter in Beschlag genommen. Die Grossmutter hatte weisse Augen, sie war blind. Und bettelte mich an. Mittlerweile kämpfte ich dagegen, ohnmächtig zu werden. Oder auf die Gleise zu kotzen. Oder beides. Da konnte ich die bettelnde Oma mit ihrer Nichte gerade echt nicht gebrauchen. Ich war die einzige an diesem Bahnhof, die angebettelt wurde. Ich war auch die einzige Weisse, ausser dem neben mir, der mit lauter Inder unterwegs war und die sich allesamt köstlich ab der Szene amüsierten, die sich neben ihnen gerade abspielte. Die Grossmutter hielt immer noch die Hände vor mir und meinte unaufhörlich: 1 Rupie. Ich hatte keine Rupie. Ich wollte auch sonst nicht meine Brieftasche hier rausnehmen und allen zeigen, wo sie versteckt war. Und jemandem so die Chance bieten, mich sogleich auszurauben. Darum sagte ich immer wieder Nein, doch sie ignorierte es. Sie nahm mich nicht ernst und verlangte immer eindringlicher und vorwurfsvoll eine Rupie. Ich wurde immer wütender, und anstatt dass jemand der nebenstehenden Personen mir zur Unterstützung geeilt wäre und der Grossmutter einfach in ihrem typisch indischen Art und Weise verklickert hätte, dass bei mir wirklich nichts zu holen sei und sie jetzt einfach weiterziehen solle, schauten sie bloss immer wieder rüber und lachten. Sie lachten! Was gab es da zu lachen? Ich fühlte mich als würde ich bald sterben, hatte eine scheiss aufsässige blinde Grossmutter die mich ausbeuten wollte und anstatt dass mir da jemand geholfen hätte fand man das ganze auch noch amüsant unterhaltend? Sogar die Nichte der Grossmutter lachte ob der skurrilen Szene. In dem Moment verfluchte ich die Inder. Ich dachte zurück an den netten jungen Mann, der mir im Bus den Sitz angeboten hatte. Eine Geste, die mich sehr verwundert hatte, die aber die einzige war in meinem einmonatigen Aufenthalt in Indien bis jetzt, und die sich durch diese Erfahrung hier leider gleich wieder relativierte. Ich blickte das Mädchen der Grossmutter böse an, und nach einer endlos langen Zeit schien sie zu kapieren, dass ich nicht nachgeben würde. Sie sagte etwas zur Grossmutter, die blickte mit ihren weissen Augen nochmals in die Richtung, in der sie mich vermutete (in der sie mich aber falsch vermutete, ich stand weiter links) und lief dann mit dem Mädchen einige Schritte weiter, bevor sie sich auf den Boden legten. Ich atmete erleichtert auf, doch die zwei waren mir noch immer zu nahe. Und auf die bescheuerte Gruppe nebenan war offensichtlich auch kein Verlass, und ich war kurz vorm Zusammenbrechen. Ich musste mich irgendwo setzen. Ich fand einige Meter weiter eine Bank und brach darauf erschöpft zusammen. Ich zitterte am ganzen Leib. Doch anscheinend schien das niemanden zu interessieren, denn von Weitem sah ich bereits, wie sich ein junges Päärchen näherte. Sie fixierte mich. Ich wusste sofort was die wollten, und stöhnte innerlich auf. Jetzt doch nicht! Doch sie kamen unaufhaltsam näher, und als sie vor mir stand fragte sie schüchtern: «Can I take a photo with you?» Ich war zu schwach um zu widersprechen und liess die Selfies über mich ergehen. Danach bedankten sie sich und liessen mich in Ruhe. Bald darauf kam der Zug. Ich fand irgendwie mein Abteil und schaffte es mit letzter Kraft, meinen Rucksack festzuketten, mein Bett herzurichten und mich sogleich darin fallen zu lassen. Natürlich lag ich wieder auf der obersten Etage und musste hochklettern. Als ich endlich in meinem Schlafsack lag, begann ich mich erst zu entspannen. Aber die Übelkeit blieb. Wurde schlimmer. Und jetzt wusste ich sicher, dass es keine Nervositäts-übelkeit war. Mein Bauch fing an zu rumoren, und ich wusste, dass ich die Nacht heute leiden würde. Und da ging mir ein Licht auf, und ich fand das fehlende Puzzlestück: Die verdammte Kamelmilch!


Sofort erinnerte ich mich daran, dass ich bereits vor einigen Tage ein Eis aus Kamelmilch probiert hatte. Weil man noch Safran dazu gemischt hatte war das Eis gelb und schmeckte auch mehr nach Safran als nach Milch. Danach gingen wir in einen indischen Imbissladen und holten uns etwas zum Abendessen. Es schmeckte köstlich, obwohl ich ein etwas ungutes Gefühl hatte wegen der Hygiene in diesem Imbiss. Es flogen Fliegen umher und die Tische waren nicht sauber geputzt. Ich wollte gar nicht wissen, wie es wohl hinter der Theke aussah…. und abends im Bett hatte ich das erste Mal seit ich in Indien war Magenprobleme. Ich führte es auf das Abendessen zurück, das wir in einem Restaurant eingenommen hatten, welches nun wirklich nicht unbedingt meinen Hygienestandards entsprochen hatte. Doch erst jetzt in dieser ratternden Kabine auf meinem Hochbett realisierte ich, dass mein Körper bereits damals negativ auf die Kamelmilch reagiert hatte. Doch damals war die Portion und Konzentration kleiner gewesen. Heute hatte ich zwei Chai getrunken! Und noch dieses komische Hirsebrot gegessen, welches mir auch nicht geschmeckt hatte. Beim Gedanken daran kam eine neue Welle der Übelkeit hoch, und ich packte panisch meinen Wertsachenrucksack und rannte auf die Toilette. Ich hatte zwar eine westliche Toilette gefunden, dennoch war es nicht angenehm, sich auf dieser Toilette zu übergeben. Im Gegenteil. Es stank bestialisch und war einfach nur eklig. Ich verbrachte die nächste Stunde auf diesem Klo. Der Chai kam wieder raus, so viel war sicher. Den Rest der Nacht verbrachte ich aus Angst vor Diebstählen damit, zwischendurch immer mal wieder zurück zu meinem Abteil zu laufen und nachzusehen, ob noch alles da war. Wenn es ging, legte ich mich auch nochmals kurz hin und fiel in einen fiebrigen Schlaf, der kein bisschen erholsam war und mich nach kurzer Zeit völlig verwirrt wieder aufschrecken liess. Bis zum nächsten Mal wo ich wieder auf die Toilette rennen musste. Bald war es nicht mehr nur Erbrechen, sondern auch Durchfall. Mein Körper schien auf höchster Alarmstufe zu sein. Eine Stunde vor Ankunft war das gröbste vorüber, und ich legte mich völlig entkräftet hin und schlief sofort ein. Um völlig unerwartet aus dem Schlaf gerissen zu werden. Die Männer unter mir weckten mich: wir waren da. Viel zu früh. Ich hatte ungefähr 8 Minuten geschlafen. Das war mir in Indien noch nie passiert, dass ich zu früh angekommen bin. Die Ankunft wäre eigentlich erst in Dreiviertelstunden gedacht gewesen. Also packte ich schnell und panisch meine Sachen zusammen und kämpfte mich nach draussen. Folgte der Menschenmasse und fragte mich nach der nächsten Metrostation durch. Natürlich wurde ich dabei überfallen von den Taxi und Tuk Tuk Fahrern, die mich allesamt zum Flughafen fahren wollten. Dafür hätten die natürlich viel zu viel verlangt. Aber zur nächsten Metro Station wollte mich niemand bringen. Das war nicht gut genug fürs Geschäft. Nach längerem Suchen fand ich endlich jemanden, der mich dorthin fuhr, für einen Preis, der zwar immer noch zu hoch war, für mich aber doch noch im Rahmen des Annehmbaren lag.


Die Fahrt dauerte kaum fünf Minuten, und das Trinkgeld liess ich weg. Natürlich war der Fahrer darüber nicht erfreut, aber er hatte mich eh schon abgezockt und für die Strecke mehr bekommen, als er es von Indern je bekommen würde. Ich schleppte mich die Stufen hoch und hielt mich benommen am Geländer fest. Ich stand in einer Reihe Schlange, sicher 20 Minuten, nur um dann gesagt zu bekommen, dass ich mein Ticket nicht hier lösen musste. Völlig fertig kämpfte ich mich also weiter, und ich schaffte es bis zur Unterführung. Da brach ich zusammen. Ich konnte nicht mehr weiter. Ich war sowieso zu früh dran, und sagte mir, dass eine kleine Pause drinliegen müsste. Also blieb ich sitzen. Mitten drin. Und sah den Leuten zu, die an mir vorbei eilten, und die mir manchmal etwas fragende Blicke zuwarfen, bevor sie wieder ihres Weges gingen. Ich war so fertig, dass es mir egal war. Es war mir egal, was die dachten. Ich wollte einfach hier sitzen bleiben. Ich sass eine Stunde da ohne mich zu rühren, als ich mich wieder einigermassen im Stande fühlte, aufzustehen. Ich schulterte den schweren Rucksack unter Stöhnen und arbeitete mich weiter vor. Doch ich hatte keine Energie mehr, und die, die ich während meiner Pause angesammelt habe, verpuffte so schnell wie bei einem Raketenstart. Die Metro kam, ich trat ein, und musste mich wieder setzen. Meine Beine zitterten so sehr, dass ich nicht mehr stehen konnte. Und zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen stand ein junger Inder auf und bot mir seinen Platz an. Dieses Mal aber lehnte ich dankend ab. Ich sass bereits, und ich konnte die Energie nicht finden mich jetzt nochmals aufzukämpfen um mich zu setzen. Die Kräfte musste ich noch sparen. Schliesslich stand mir heute noch ein Flug nach Südindien bevor!


Das Ende der Geschichte hat wohl niemand so erwartet. Am Wenigsten ich. Ich kam zwar am Flughafen an, doch beim Anstehen fürs Check-in brach ich zusammen. Man brachte mich mit meinem Gepäck aus dem Gewimmel der Leute raus und setzte mich an einem ruhigeren Ort ab. Da könne ich mich erholen. Wieder sass ich regungslos eine Stunde da und hoffte, dass der Schwächeanfall vorüber gehen würde. Die tanzenden Punkte vor meinen Augen verschwinden würden und ich aufhören würde zu zittern. Die anbahnenden Kopfschmerzen sich in Luft auflösen würden. Nichts dergleichen geschah. Und als mir klar wurde, dass das nicht von heute auf morgen wieder gut war, traf ich eine folgenschwere Entscheidung. Ich mobilisierte meine letzte Kraft und annullierte alle Flüge. Ich wollte nach Hause.


Der nächste Flug in die Schweiz, der einigermassen tragbar war, war erst am nächsten Tag. Ich musste also irgendwo unterkommen bis dahin. Da ich zu schwach war, um mir noch etwas konkretes zu suchen und da hin zu reisen, checkte ich im Flughafenhotel ein. Es war sauteuer, aber das war es mir wert. Es war mittlerweile drei Uhr nachmittags. Als ich mein Zimmer sah, traute ich meinen Augen nicht. Solch einen Luxus war ich mich nicht mehr gewohnt, und jetzt konnte ich das nicht mal richtig geniessen und ausnutzen! Für 200 Franken die Nacht war es wenigstens sauber. Ich warf alles hin und ging direkt unter die Dusche, um die Strapazen der letzten 24 Stunden von mir zu waschen. Danach schlüpfte ich eilig unter die Bettdecke und schlief sofort ein.


Ich weiss nicht, wie ich die Reise zurück in die Schweiz geschafft habe. Man entwickelt fast übermenschliche Kräfte wenn es darum geht, durchzuhalten. Und ich musste durchhalten, und für mich war die Schweiz die Rettung. Dort konnte ich die Hilfe kriegen die ich brauchte, dort konnte man feststellen, was mit mir nicht stimmte. Dort war mein zu Hause, und dort konnte ich gesunden. Es dauerte zwei Wochen, aber ich wurde wieder gesund. Gefunden hat man bei mir weder etwas im Blut noch im Stuhl. Ein Indiz, dass es tatsächlich die Kamelmilch gewesen ist. Was ich daraus gelernt habe? Einmal Kamelmilch, und nie wieder! Und was ich wirklich gelernt habe? Reisen birgt viele Risiken. Die kann man nicht vorhersehen, aber es ist wichtig, sie ernst zu nehmen. Ich habe für mich gelernt, dass ich eine Reise lieber abbreche und auf meinen Körper höre, anstatt es durchstieren zu wollen. Irgendwann wird sich eine neue Gelegenheit bieten um das nachzuholen, was man verpasst hat. Nichts ist wichtiger als die eigene Gesundheit. Egal wie viel man dafür aufgeben muss, egal wie viel man dafür bezahlen muss. Die Gesundheit ist unbezahlbar. Deshalb muss man ihr Sorge tragen. Aber ich werde irgendwann zurückkehren. Indien wird mich nochmals begrüssen dürfen.

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About Me

I am a 29 year old traveller. While I also love to Photograph and write down my thoughts just as plain and simple as they are, I decided to share this with who ever might be interested in reading about my adventures. Some might be in german, other in english, because I love to write in both languages. All that is left to say now: I hope you´ll enjoy:)

 

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